Mittwoch, 9. November 2011

Die erste Träne - zum Lieben gezwungen [4]

Schon der vorletzte Teil... ;)
Viel Spaß! 

<3
Sophie

Übersicht

Willenlos stand ich da. Die Augen geschlossen.  Auf mir spürte ich die Fasern des Kleides. Weißer Damast und weiße Spitze an meinem gesamten Körper. Es war kaum auszuhalten.
Meine Füße waren in flache Schuhe geschnürt worden. Ich durfte nicht größer sein als er. Als ob das das Schlimmste wäre. Als ob dies eine Traumhochzeit wäre. Als ob wir uns lieben würden! Wie konnte mein Vater so etwas von mir verlangen? Was trieb ihn dazu, mir so etwas anzutun? Er mochte Kabil nicht einmal, das wusste ich. Das einzige, was er wollte, war, seine Autorität zu demonstrieren. Ich war kurz davor gewesen, sie zu untergraben, indem ich mich mit Sahir getroffen hatte.
Und dafür schien ich nun bezahlen zu müssen.

Als die Hochzeitsglocken zu läuten begannen, zwang ich mich dazu, meine Augen zu öffnen. Klar, ich könnte sie auch geschlossen lassen, könnte während der Feier erstarren. Doch das würde mir nur noch mehr Ärger einbringen und außerdem musste ich das jetzt hinnehmen. Stark sein. Für Sahir. Wenn das alles vorbei war, würde ich ihn wieder sehen. Wir würden zusammen sein. Und um mich zu prüfen – mein Leben kam mir seit jenem Nachmittag, an dem Sahir mich verlassen hatte, vor wie eine Prüfung – musste ich dies alles durchstehen – meinen Vater, Kabil, die Heirat. Eines schlimmer als das andere. Doch ich würde es schaffen. Ich würde jetzt niemanden mehr enttäuschen. Bald würde alles vorbei sein. Ich musste einfach daran glauben. Zumindest für die nächsten paar Stunden. Der Glaube würde mir die Kraft geben, die ich brauchte, um diesen Tag zu überstehen. Und das würde ich.
„Komm jetzt!“
Der Arm meines Vaters riss mich aus meinen Zukunftsspekulationen. Der Marsch setzte ein und mit ihm begannen meine Beine wie von selbst, sich zu bewegen. Ich konnte und wollte sie nicht mehr steuern. Trotz der positiven Gedanken sträubte sich alles in mir, diesen Weg nach vorne zum Altar zu gehen.
Warum ich?
Diese Frage stellte ich mir sicherlich schon zum hundertsten Mal an diesem Tag. Warum war mir so ein Schicksal auferlegt worden? Warum musste sich nicht jemand anders damit herumquälen? Ich wollte das nicht. Hatte nie so ein Leben gewollt. Wäre ich eine arme Angestellte, dafür aber mit Sahir zusammen, wäre es mir lieber gewesen, als die reiche Tochter zu sein, die jedoch gegen ihren Willen vom Mann ihres Lebens getrennt und mit einem anderen verheiratet wurde. Dieses Leben wollte ich nicht. Von mir aus könnte es gerne jemand anderes haben. Ich würde sofort tauschen. Wenn es nach mir ginge, könnte das kleine Mädchen, das mich eben schüchtern angelächelt hatte statt mir nach vorne gehen.
Aber ich wurde ja nicht gefragt. Ich wurde nie gefragt, das war der Punkt.

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